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Nächster Bau-Riese geht in die Knie

Als Hans Müller (43, Name geändert) im Februar in seiner halb fertigen Wohnung stand, war er noch voller Vorfreude: „Das Haus war im Rohbau schon fertig und der Dachstuhl war drauf. Da sollte eigentlich nichts mehr passieren.“ Dachte er. Doch es kam anders: Auf der Baustelle der Project-Immobiliengruppe an der Landsberger Straße 459 in Pasing herrscht seit Wochen Stillstand.

Mit der Insolvenz des Nürnberger Unternehmens gerät ein Schwergewicht ins Wanken. Bundesweit hat die Project-Gruppe 1852 Wohnungen in 118 Projekten im Bau. Zwei davon in München: „Viva Theresia“ mit 21 Eigentumswohnungen und sechs Reihenhäusern in Sendling (Senserstraße 11–13) sowie das Ensemble an der Landsberger Straße 459 mit 27 Eigentumswohnungen.

Dort haben auch Müller und seine Frau im Februar eine Zweizimmerwohnung für 578 000 Euro gekauft. „Wir haben ein Haus geerbt und uns sehr intensiv überlegt, wie wir mit dem Erbe verantwortungsvoll umgehen können“, sagt der Oberbayer. Nach langer Recherche sei die Entscheidung auf die Project-Gruppe gefallen. „Die haben ja schon viel gebaut, wir konnten uns von der Qualität überzeugen und sie sind einer der größten Immobilienentwickler Deutschlands.“ Kosten- und Fertigstellungssicherheit seien schriftlich garantiert worden. Im September hätte die Anlage fertig sein sollen, das Ehepaar wollte die Wohnung direkt vermieten. Doch daraus wird nun erst mal nichts. Mit einer lapidaren E-Mail sei man am 14. August über das Insolvenzeröffnungsverfahren informiert worden. „Ich war geschockt“, sagt Müller.

So ging es auch Murat D. Der 59-Jährige hat in der Anlage in Pasing eine Einzimmerwohnung für 400 000 Euro „als Altersvorsorge“ erworben. „Alles war auf Kante genäht. Jetzt werden wir wohl einen Kredit aufnehmen müssen“, sagt der Münchner. Die Unsicherheit sei zermürbend. „Da hängt ein Damoklesschwert über einem, und man weiß nicht, wann und wie es runterkommt.“

Aktuell verschafft sich der vorläufige Insolvenzverwalter Volker Böhm einen Überblick über die Finanzsituation der einzelnen Gesellschaften des Unternehmens. „Ziel ist es, möglichst viele Bauprojekte zu Ende zu bauen“, sagt Böhms Sprecher gegenüber unserer Zeitung. Nach den Pleiten der Dachgesellschaften der Gruppe haben jetzt auch 56 der 118 Projektfirmen Insolvenz angemeldet. Bis die finanzielle Situation des komplexen Geflechts geprüft ist, kann es dauern. „Sobald wir einen Überblick gewonnen haben und belastbare Aussagen treffen können, werden wir die Käufer informieren.“

Doch Hans Müller, Murat D. und viele andere Käufer können nicht warten – für manche geht es um die Existenz. Sie bitten das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen in einem gemeinsamen Brief um Unterstützung, schildern darin die „massiven Auswirkungen“: „Dies reicht vom Verlust des Erbes über Leben mit Familie ohne Platz für (schwerbehinderte) Kinder bis hin zum Weiterwohnen in Schimmelwohnungen und Privatinsolvenzen.“ Auch ein Schreiben an OB Dieter Reiter (SPD) sei in Vorbereitung.

Quellenangabe: Garmisch-Partenkirchner Tagblatt vom 05.09.2023, Seite 13