Bund und Länder haben Steuerauslegung bei dem Containeranbieter festgelegt
17.07.2020 • Seit rund einem Jahr stehen die geschädigten P&R-Anleger vor dem Dilemma, wie sie ihre gescheiterten Containerinvestments in der Steuererklärung für 2018 angeben sollen. Eine Vorgabe gab es bisher nicht, weshalb sie die Verluste auf unterschiedlichste Art und Weise deklarierten. Viele beantragten eine Vollabschreibung, da durch die Insolvenzanträge und dem vorliegenden Schneeballsystem ihre Einlagen zum Großteil verloren sind. Unter dem Vorbehalt der Nachprüfung akzeptierten das viele Finanzämter, die auch nicht wussten, wie sie damit umgehen sollten. Doch nun scheint endlich Klarheit in die Steuerfragen einzukehren. Auf Bund-Länder-Ebene haben sich die zuständigen Referenten auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt.
Steuerkonzept. Bis auf die weniger verbreiteten Leasingmodelle, bei denen Einkünfte aus Kapitalvermögen entstanden, produzierten die typischen P&R-Investments Sonstige Einkünfte gemäß Paragraph 22 Nummer 3 Einkommensteuergesetz. Um diese für Anleger vorteilhafte Ausgestaltung zu erreichen, hat P&R den Rückkaufspreis der Container nicht garantiert. Als steuerliche Folge waren die Container entsprechend ihrer Nutzungsdauer abschreibbar. Für Neucontainer gilt gemäß AfA-Tabelle eine einheitliche Nutzungsdauer von zehn Jahren. Bei Gebrauchtcontainern ist eine Restnutzungsdauer zu schätzen, was in der Praxis häufig in Form einer achtjährigen Frist passierte. In der Konsequenz bedeutete dies für Anleger eine weitgehend steuerfreie Vereinnahmung der Mieten. Denn häufig lag die Mietauszahlung bei zehn bis zwölf Prozent des Kaufpreises, was sich mit der Abschreibung von zehn Prozent (Neucontainer) oder 12,5 Prozent (Gebrauchtcontainer) aufhob. Ein steuerlich zu deklarierender Gewinn entstand folglich erst bei Rückgabe der Container, wenn ein Anleger die Differenz zwischen Restbuchwert der Container und bezahlten Rückkaufspreis erklären musste.
Handhabung. Entscheidend für die Finanzverwaltung war die Erklärung des Insolvenzverwalters Michael Jaffé, als er im August 2018 die Nichterfüllung der Verträge bekannt gab. Als Folge sollen bis dahin die grundsätzlichen steuerlichen Regeln greifen, das heißt, die reguläre Abschreibung für acht Monate im Jahr 2018. Auch die Jahre 2017 und vorher werden nicht anders behandelt als bisher. Ab September 2018 passiert steuerlich dann erst einmal nichts mehr. Der aufgrund der Containerfehlbestände zu erwartende Verlust kann erst mit Abschluss des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden. Dann entsteht ein Verlust in Höhe des steuerlichen Restbuchwertes und der Insolvenzquote. Wann das sein wird, ist nicht prognostizierbar. Da es sich hierbei außerdem um Sonstige Einkünfte handelt, greift ein Verrechnungsverbot mit anderen Einkunftsarten. In Paragraph 22 Nummer 3 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes ist ein möglicher Rücktrag beziehungsweise Vortrag innerhalb von Einkünften aus gelegentlichen Vermietungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände definiert. Wer solche Einkünfte nicht hat, kann die irgendwann entstehenden Verluste nicht nutzen.
Reaktionen. Erste Reaktionen fallen gemischt aus. Dr. Christoph Ludz von der Interessengemeinschaft IG P&R verweist auf das Interesse der Finanzverwaltung, das Thema für die Vergangenheit ruhen zu lassen: „Die Anleger haben tatsächlich keine Gewinne erzielt, sondern Verluste erlitten und dennoch alle fünf Jahre bei den Rückkäufen ‚Scheingewinne‘ versteuern müssen. Dadurch hat der Staat hunderte Millionen Euro Steuern kassiert. Allerdings hat der Fiskus kein Interesse daran, hunderttausende Steuerbescheide zu ändern und das Geld mit Zinsen zurückzuzahlen. Das wäre aber sachgerecht, weil es sich hier um ein Schneeballsystem mit nicht zu versteuernden Scheingewinnen handelt.“ Dr. Wolfgang Schirp von der gleichnamigen Kanzlei aus Berlin vertritt hunderte von geschädigten P&R-Anlegern und sieht einen gewissen Vorteil in der Tatsache, dass es keine steuerliche Rückabwicklung gibt. Denn für ihn wollen die meist älteren Anleger ihre Ruhe und Ärger vermeiden. Entscheidend ist für ihn, dass die steuerlichen Abschreibungen bei den geschädigten Anlegern erhalten bleiben. Wer die Verluste unbedingt sofort benötigt, der könne nach Schirp das Angebot von York Capital in Erwägung ziehen. Dieser Investmentmanager hat vor einigen Monaten den Aufkauf von Insolvenzforderungen angeboten (IC-Berichte [hier] und [hier]). Außerdem verweist Schirp noch auf die Tatsache, dass mit dieser Einigung nur einkommensteuerliche Fragen geklärt sind. Seine Kanzleipartnerin, die Fachanwältin für Steuerrecht Anne Wenzelewski hat erste Erfolge für Anleger erzielt, bei denen das Finanzamt nachträglich Umsatzsteuer erhoben hat. Hier müssen P&R-Investoren im Zweifel noch für ihr Recht kämpfen.
Loipfinger’s Meinung. Da viele Anleger ihre Einkommensteuererklärung für 2018 längst abgegeben haben, wird es in nächster Zeit viele korrigierte Steuerbescheide geben. Wer bisher wegen der Insolvenzeröffnung nur die Abschreibungen für drei Monate geltend machte, bekommt etwas mehr Verluste angerechnet. Wer hingegen wegen dem betriebenen Schneeballsystem eine Vollabschreibung argumentierte, wird jetzt schlechter gestellt. Ob sich das in der Steuerlast auswirkt, hängt vom Einzelfall ab, da nicht jeder auch noch andere 22er-Einkünfte hat. Eine Unterscheidung der Anleger in solche mit und ohne Eigentumszertifikate findet nicht statt. Gut ist, dass befürchtete Worst-Case-Ansichten nicht zum Tragen kommen. Durch den hohen Fehlbestand bei den Containern hätte das Finanzamt auch nachträglich Einkünfte aus Kapitalvermögen annehmen und die erhaltenen Zahlungen als Zinsen einstufen können. Tausende Rechtsstreite wären vorprogrammiert gewesen.