Die Insolvenzen der Warenhäuser um das KaDeWe, Alsterhaus und Oberpollinger und noch einiges mehr, das wird einmal aufgezeigt. René Benko trieb es noch wilder als der frühere Immobilien Mogul dem Frankfurter Dr. Schneider.
An diesem Donnerstagabend Ende Januar 2024 wird gefeilscht wie auf dem Nachtmarkt in Bangkok. Zu einer Videokonferenz haben sich die Vertreter der thailändischen Milliardärsfamilie Chirathivat verabredet, ebenso wie Vertreter der Signa. Die Thais wollen den Spekulationen rund um das legendäre Berliner Kaufhaus des Westens (KaDeWe) endlich ein Ende setzen. Und dem KaDeWe, und letztlich sich selbst, zu einer sicheren Zukunft verhelfen. Statt wie bisher die Hälfte am KaDeWe zu halten, wollen die Thais mit ihrer „Central Group“ die Immobilie wie das Warenhausgeschäft nun ganz vom Partner Signa übernehmen.
Ein Angebot über einen dreistelligen Millionenbetrag liegt auf dem Tisch. Netto.
Damit fällt die Offerte deutlich höher aus als die 20 bis 40 Millionen Euro, die die Thais ursprünglich bieten wollten. Dazu fordern sie Mietnachlässe im Hamburger Alsterhaus und im Oberpollinger in München, wo sie das Warenhausgeschäft betreiben und Signa als alleiniger Vermieter auftritt. Der Deal platzt. Die Thailänder sprechen später gegenüber Vertrauten von „Erpressung“. So geschah, was die Familie Chirathivat immer verhindern wollte: Am Tag nach den gescheiterten Verhandlungen stellt die KaDeWe Gruppe einen Antrag auf Eigenverwaltung. Das stolze Haus, Tempel der Reichen, manchmal Schönen und oft schon Alten, ist pleite. Das ist den Topmarken, mit denen die Central Group weltweit zusammenarbeitet, den Hermès und Guccis dieser Welt, nur schwer zu erklären.
Vor allem aber gerät damit das gesamte deutsche Geschäft der Central Group in Gefahr. „Die KaDeWe-Pleite ist vollkommen chaotisch gelaufen.
Schlechter konnte es aus Sicht der Thais nicht kommen“, sagt ein renommierter Restrukturierer mit guter Kenntnis des asiatischen Unternehmen, dessen siebenköpfiges Executive Committee ausschließlich aus Familienmitgliedern besteht, droht zu einem weiteren Opfer von René Benko zu werden.
Er und seine Manager mischen bei den Sanierungen in Eigenverwaltung der wichtigsten Gesellschaften Prime und Development immer noch entscheidend mit. Sie verweigern dem zuständigen Insolvenzverwalter der Holding Christof Stapf wichtige Informationen. „Ohne den Erhalt von Unterlagen“ sei die „Angemessenheit des angebotenen Sanierungsplans der Schuldnerin tatsächlich nicht prüfbar“, schrieb er im zweiten Sanierungsbericht. Nichts geht vorwärts.Benko ist immer noch präsent, obwohl sich die Strafanzeigen und Klagen gegen den gescheiterten Unternehmer häufen, die Sondertruppe der Wiener Staatsanwaltschaft, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), mehrere Ermittler für den Fall Signa abgestellt hat und die Schuldenlücke immer größer wird. Zuletzt meldete die Signa Holding Forderungen von Gläubigern in Höhe von fast neun Milliarden Euro nach rund fünf Milliarden zu Beginn des Insolvenzverfahrens .
Benko und die Central Group einigten sich auf eine Zusammenarbeit, doch der Deal war ziemlich einseitig zugunsten von Benko gestrickt. Er hielt die Hand über seine Immobilien, nur vom Handelsgeschäft bekamen die Thais die knappe Mehrheit in dem Joint Venture. „Benko hat die Thailänder über Jahre ausgenommen wie eine Weihnachtsgans“, sagt ein Ex-Manager der Signa. Ein Jahr nach dem Einstieg der Thais 2015 legte Signa die jährlichen Nettomietzahlungen für die drei Häuser auf 60 Millionen Euro fest, seitdem stiegen die Verpflichtungen jährlich an, zuletzt lagen sie bei knapp 90 Millionen Euro.
Die Wirtschaftsprüfer machten dafür auch die „sehr hohen außerbilanziellen Mietverpflichtungen“ verantwortlich. In den drei Geschäftsjahren 2016/17 bis 2018/19 betrugen die Verluste demnach insgesamt rund 80 Millionen Euro. Ohne Corona und „ohne die Stellung einer 90%igen staatlichen Garantie wären wir nicht in die Überlegungen zu dieser neuen Fazilität eingetreten“, bemerkte damals BNP Paribas als Kreditgeber in der Stellungnahme. Im Juni 2024 sollte die KaDeWe GmbH das Geld komplett zurückgezahlt haben – doch dafür muss nun wohl weitgehend der Steuerzahler aufkommen.
Für die Thais türmen sich neue Risiken auf. Denn in Kürze könnte die KaDeWe-Immobiliengesellschaft Tauentzienstraße ebenfalls pleitegehen – schließlich bekommt sie keine Mietzahlungen mehr. Damit wäre auch das 300 Millionen Euro hohe Wandeldarlehen in Gefahr, das die Central Group Ende 2022 an Benko gegeben hatte und wofür sie rund die Hälfte an der KaDeWe-Immobilie erhielt. Denn erst einmal werden die Gläubiger bedient werden – vor allem die Bayerische Landesbank. Ob danach noch etwas übrig bleibt, ist zweifelhaft. Weil die Mieten reduziert werden müssen, verringert sich der Wert der Immobilie – und damit die Masse, aus der die Gläubiger bedient werden können.
Die Mechanik, die sich beim KaDeWe zeigt, betrifft nun zahlreiche Häuser der untergegangenen Signa: viel zu hohe Buchwerte der Immobilien, die sich aus nicht marktgerechten Mieten ergaben. Ein ähnliches Phänomen offenbart sich bei den Projekten, deren Rohbauten nun wie Mahnmale des Scheiterns in vielen großen Städte stehen.
Die Baustelle des Wiener Luxuskaufhauses Lamarr ist ebenso tot wie die Namensgeberin, die frühere Hollywood-Diva (1914 bis 2000). Auch hier lohnt sich der Weiterbau nur, wenn die Miete dieselben ruinösen Höhen erreicht, wie sie in der restlichen Luxusgruppe Usus waren. Das aber wird voraussichtlich niemand mehr zahlen wollen.
Auch beim Elbtower ist inzwischen klar, dass kaum jemand die veranschlagten Büromieten von teilweise deutlich über 30 Euro den Quadratmeter wird ausgeben wollen. Beim Spediteur, Hamburg-Aficionado und Signa-Gesellschafter Klaus-Michael Kühne (86) scheint das Interesse am Elbtower abgekühlt zu sein. Die Gespräche mit der Stadt gehen nicht voran, der hamburgische Finanzsenator Andreas Dressel (49; SPD) wirkt nach Angaben von Insidern überfordert mit der Situation.
Der Rückkauf des Grundstücks, damals für 122 Millionen Euro an Benko gegeben, käme die Stadt teuer. Und auch dann wäre nicht viel gewonnen, freuen würde sich nur die Opposition aus CDU, Linken und AfD über Wahlkampfmunition.
Experten raten der Stadt nun, die Planung komplett neu aufzusetzen, etwa statt Büroräume, hier dringend Wohnungen zu bauen.
Auch bei der Warenhauskette Galeria, nun zum dritten Mal insolvent binnen drei Jahren, arbeitete Benko mit der gleichen Logik.
Doch Fakt ist: Auch dort fallen die Verpflichtungen hoch aus. Sodass die Investmentbank Houlihan Lokey, die für Galeria einen neuen Eigentümer sucht, die Argumentation im Verkaufsprospekt umdreht und von einer außerordentlichen „Turnaround-Möglichkeit“ schwärmt, „mit Blick auf die unvorteilhaften Mietvereinbarungen zugunsten des jetzigen Besitzers Signa“. Trotzdem blieb der große Zulauf an Interessenten bisher aus.
Als wichtigsten Kandidaten werten Beteiligte das Düsseldorfer Unternehmen Droege. Dort kauft man regelmäßig runtergewirtschaftete Firmen (wie Weltbild) auf und streicht danach die Kosten energisch zusammen. Jetzt überlegen Vater Walter(71) und Sohn Ernest Droege (38) tatsächlich, einen Großteil der Galeria-Häuser zu übernehmen. Aber nur zu sehr günstigen Konditionen. Mit der Signa und Benko wird also wohl auch der Warenhauskonzern in seiner heutigen Form untergehen – ein weiteres Opfer von dessen Geschäftsmethoden.
Auch wenn Benko bei Galeria oder Elbtower oder KaDeWe regelmäßig Vertraute oder Geschäftsführer vorschickte und selbst keine offizielle Funktion bei der Signa hatte – am Ende entschied immer er: Darauf hat der Bauunternehmer, Signa-Gesellschafter und langjährige Benko-Kumpel Hans Peter Haselsteiner (80) öffentlich aufmerksam gemacht: „Er hat die Zügel in der Hand gehabt“, sagte Haselsteiner im ORF-Interview – und rückte damit Benko für die Ermittler ganz vorn ins Schaufenster.
Die Wiener Schwerpunktstaatsanwaltschaft ist bereits mit mehreren Leuten aktiv, auch die österreichische Finanzprokuratur mit ihrem Präsidenten Wolfgang Peschorn (58) hat sich eingeschaltet – eine spezielle Behörde, die mit Dutzenden von Topanwälten bei großen Skandalen im Sinne des österreichischen Staates tätig wird.
Dass Benko immer noch im Tagesgeschäft mitmischt, zeigt die KaDeWe-Insolvenz. „Wie kann das sein, dass die Geschäftsführung weiterhin im Amt ist?“, schimpfen nahezu wortgleich mehrere Signa-Gesellschafter und verweisen auf Benkos engste Mitarbeiter, Finanzer Manuel Pirolt, aber auch Marcus Mühlberger (61), der in über 700 Signa-Gesellschaften tätig ist. Erst jüngst beschwerten sich die Bondholder der Signa Development bei der Sanierungsverwalterin Andrea Fruhstorfer, dass die Eigenverwaltung keine Aufklärung brächte. Eine Strafanzeige gegen Benko haben sie in Wien auch eingereicht.