Knapp sieben Jahre ist es her, dass das milliardenschwere Betrugssystem um Infinus und Future Business aufflog. Nun hat das Oberlandesgericht Dresden ein wichtiges Urteil gegen den Buchprüfer des Konglomerats gefällt.
Das Oberlandesgericht Dresden (OLG) hat im Fall Infinus die Haftung des Wirtschaftsprüfers bestätigt (Az. 13 U 154/19, Urteil vom 5. August 2020). Der Prüfer habe leichtfertig die ihn als Experten treffenden Pflichten verletzt, zitiert Rechtsanwältin Eva-Maria Ueberrück von der Kanzlei Mattil & Kollegen aus dem Verfahren. Sein Verhalten sei “bei der gebotenen Gesamtschau gerade in Bezug auf die arglos zeichnenden Anleger als gewissenlos und sittenwidrig zu beurteilen”, so Ueberrück.
Damit bestätigte das OLG ein Ende 2018 ergangenes Urteil des Landgerichts Dresden (Az. 9 O 2762/16). Theoretisch könne der Wirtschaftsprüfer gegen das Urteil noch Einspruch einlegen, berichtet Ueberrück im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE. Das sei jedoch unwahrscheinlich, weil weder er noch sein Anwalt bei der Gerichtsverhandlung zugegen war.
Früher oder später droht die Privatinsolvenz
Bei dem Prozess gegen den Wirtschaftsprüfer handelte es sich um ein Pilotverfahren, das die Richtung für Hunderte weitere Zivilklagen vorgeben dürfte. “Ich rechne damit, dass das Landgericht nun zügig weitere Verfahren durchziehen wird”, sagt Ueberrück. “Allein im November stehen voraussichtlich über 50 Termine an einem Tag an. Außerdem vertreten wir mehr als 300 weitere Anleger, die auf einen Prozess warten.”
Offen ist allerdings, wie viele Anleger tatsächlich darauf hoffen dürfen, ihr vor Jahren investiertes Geld zurück zu bekommen: Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird der ehemalige Wirtschaftsprüfer früher oder später Privatinsolvenz anmelden. Er hatte die meisten Jahresabschlüsse persönlich unterschrieben, nicht im Namen seiner Kanzlei.
Zehntausende geschädigte Anleger
Mehr als 40.000 Anleger hatten in Summe mehr als eine Milliarde Euro bei diversen Gesellschaften der weit verzweigten Infinus-Gruppe investiert. Die Staatsanwaltschaft Dresden nahm das Konglomerat im November 2013 hoch, weil sie ein Schneeballsystem vermutete. Unter anderem hatte die Infinus-Muttergesellschaft Future Business ihre Bilanzen über konzerneigene Geschäfte mit Edelmetallsparplänen aufgehübscht. FONDS professionell deckte diese Geschäfte in Ausgabe 3/2013 auf, wenige Wochen vor der bundesweiten Razzia gegen das Unternehmen.
Das Landgericht Dresden verurteilte sechs ehemalige Topmanager und Aufsichtsräte des Konzerns im Juli 2018 nach einem langwierigen Prozess zu hohen Haftstrafen. Die Angeklagten legten allerdings umgehend Revision vor dem Bundesgerichtshof ein, die Urteile sind daher noch nicht rechtskräftig. Sie zeigten sich von ihrer Unschuld überzeugt. Ein Argument: Sie hätten stets auf die Aussage ihres Wirtschaftsprüfers vertraut, dass die beanstandete Buchführung korrekt war. Genau dieser Prüfer wurde nun zu Schadenersatz verurteilt. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat auch ein Strafverfahren gegen den Prüfer eingeleitet. Anklage wurde bislang jedoch nicht erhoben.
BGH-Urteil mit Relevanz für die Causa Wirecard
Im Zusammenhang mit dem Zivilverfahren gegen den Wirtschaftsprüfer verweist Ueberrück auf ein interessantes BGH-Urteil aus dem März dieses Jahres (Az. VII ZR 236/19). Der Leitsatz der Entscheidung lautet: “Ein Anspruch eines Anlegers aus Paragraf 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen einen Wirtschaftsprüfer kommt in Betracht, wenn der in einem Wertpapierprospekt enthaltene Bestätigungsvermerk nicht nur unrichtig ist, sondern der Wirtschaftsprüfer seine Aufgabe nachlässig erledigt, zum Beispiel durch unzureichende Ermittlungen oder durch Angaben ins Blaue hinein und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Bestätigungsvermerks für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint.”
Dieses Urteil, das laut Ueberrück vor dem Hintergrund des Infinus-Skandals gefällt wurde, kann ihrer Meinung nach auch in der Causa Wirecard relevant werden. Bei Infinus lagen der Anwältin zufolge nicht nur unzureichende Ermittlungen oder Aussagen ins Blaue hinein vor, sondern der Wirtschaftsprüfer habe die Testate sogar wider besseren Wissens und vorsätzlich fehlerhaft erstellt. “Er ist damit seiner gesetzlichen Verpflichtung als unabhängiger Experte nicht nachgekommen und sein Verhalten ist gegenüber den geschädigten Anlegern als sittenwidrig einzuordnen”, so die Juristin. (bm)