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Der Streit über Wittelsbacher-Millionen

Jahrhundertelang regierten sie in Bayern – über einen sogenannten Ausgleichsfonds kassieren die Wittelsbacher bis heute Millionen. Zum 100. Geburtstag der Stiftung fordern die Grünen erneut ein Ende der Privilegien, das bayerische Finanzministerium aber winkt ab.
Seit Jahren formulieren die Grünen-Politiker immer wieder Anträge und Anfragen zum Wittelsbacher Ausgleichsfonds, über den die einstige bayerische Königsfamilie jährlich eine zweistellige Millionensumme kassiert. “Da lebt das adelige Leben fort, obwohl der Adel und die Monarchie abgeschafft sind ! Der Ausgleichsfonds ist ein Privileg, das nicht mehr zeitgemäß ist, hört man. Es gebe in der heutigen Zeit keinen Grund mehr “für diesen bayerischen Sonderweg einer öffentlich-rechtlichen Stiftung”.


Ein Aus für diesen Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF), der jährlich 15 Mio. EUR an die Mitglieder der früheren Königsfamilie Wittelsbach ausschüttet, ist aber weiterhin nicht in Sicht.
Am Donnerstag wird die Stiftung 100 Jahre alt – und mit ihm ein Gesetz, das Zahlungen bis zu ihrem Aussterben garantiert. Erst wenn es keine “Mitglieder des vormaligen Königshauses” mehr gibt, “wird der Fonds aufgelöst und sein Vermögen fällt an den Bayerischen Staat”.
Das Geld fließt laut Finanzministerium vor allem an den Chef des Hauses Wittelsbach, Franz Herzog von Bayern, sowie an die Chefs der verschiedenen Linien der einstigen Königsfamilie. Der genaue Verteilungsschlüssel ist geheim.


Das Adelsgeschlecht der Wittelsbacher regierte mehr als sieben Jahrhunderte lang in Bayern. Ab 1806 stellte es die bayerischen Könige, bis 1918 die Novemberrevolution der Monarchie ein Ende setzte: Der Sozialist Kurt Eisner rief den Freistaat Bayern aus und proklamierte die Absetzung von König Ludwig III. Nachdem die neue Regierung zunächst alle Zahlungen an die ehemalige Königsfamilie eingestellt hatte, verlangten Mitglieder des Hauses Wittelsbach eine Entschädigung. “Nach Prüfung der Rechtslage kam man zu dem Schluss, dass die Ansprüche des Hauses Wittelsbach auch nach 1918 fortbestünden”, erläutert das Finanzministerium.


Da der junge Freistaat fürchtete, einen Rechtsstreit zu verlieren und in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten zu geraten, einigte sich die Regierung im Januar 1923 mit dem Haus Wittelsbach auf einen Vertrag, der die Aufteilung des Vermögens zwischen Staat und Ausgleichsfonds festlegte. Am 9. März folgte dann das “Gesetz über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung des Bayerischen Staates mit dem vormaligen Bayerischen Königshause”, das die sofortige Errichtung des Fonds festschrieb und bis heute gültig ist.


Wohn-, Fischerei- und Jagdrechte für die Wittelsbacher
Seither gehören unter anderem die Münchner Residenz samt Hofgarten, die Schlösser Nymphenburg und Schleißheim sowie die Schlösser Neuschwanstein, Herrenchiemsee und Linderhof dem Freistaat.
Zum Vermögen des Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF) zählen Immobilien, land- und forstwirtschaftlicher Grundbesitz sowie die Schlösser Hohenschwangau, Berchtesgaden und Grünau. In Museen und Sammlungen des Freistaats wie den Pinakotheken befinden sich rund 43.000 Kulturgüter aus dem Besitz des Fonds, weitere 13.500 verwahrt die Stiftung selbst.
Die Mitglieder der früheren Königsfamilie haben zudem Wohnrecht im Nymphenburger Schloss, im Würzburger Residenzschloss und im Alten Schloss auf Herrenchiemsee. Sie dürfen die Gruft der Theatinerkirche und der Michaelskirche in München benutzen, ferner sind ihnen Fischerei- und Jagdrechte garantiert.


Der Fonds wie auch die Staatsregierung legen Wert auf die Feststellung, dass die Stiftung ihr Geld selbstständig erwirtschaftet – und die Ausschüttungen der Gewinne somit keine Zahlungen des Freistaat seien. Verwaltet wird der WAF von einem Verwaltungsrat, das Finanz- und das Wissenschaftsministerium bestellen für die Stiftungsaufsicht zwei Staatskommissare.
Die Staatsregierung sieht keinen rechtlichen Handlungsspielraum dafür, das Entschädigungskonstrukt zu verändern. Mehrfach betonte das Finanzministerium über die Jahre, der Freistaat sei an das Übereinkommen von 1923 gebunden. “Es besteht nach Auffassung der Staatsregierung keine Veranlassung, den seinerzeit nach jahrelangen Verhandlungen gefundenen Kompromiss historisch-juristisch anzuzweifeln.”


Nach der Revolution 1918 war eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung erforderlich gewesen, weil es sonst im Laufe der Zeit zu einer Vermischung von Privatvermögen der königlichen Familie und Staatsvermögen gekommen wäre. An dieser Grundlage hat sich bis heute nichts geändert, so dass keine Veranlassung für eine Auflösung des Fonds besteht. U.a sei das Haus Wittelsbach untrennbar mit Bayern verbunden. “Die Abtretung des Eigentums an den Staat Bayern vor 100 Jahren untermauerte schon damals die Verbundenheit der Wittelsbacher mit Bayern.”


Das große Vermögen des Wittelsbacher Ausgleichsfonds lasse die Abfindungen an die Familie moderat erscheinen. “Darüber hinaus sei noch zu erwähnen, dass die Abfindungen an die Wittelsbacher zur Hälfte wieder an den Staat fließen, da sie dem Spitzensteuersatz von 50 Prozent unterliegen !
Jenseits der politischen Debatte über Adels-Privilegien lobte der Historiker und leitende Direktor im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, Gerhard Immler, den Ausgleichsfonds schon vor Jahren im BR-Interview als geglückten historischer Vertrag. Damit sei es gelungen, eine Zersplitterung des Vermögens zu verhindern und Kunstgegenstände auf Dauer zu erhalten. So sei es beispielsweise ausgeschlossen, Bilder aus der Neuen Pinakothek zu versteigern, nur um das Einkommen von Familienangehörigen zu steigern.


Und der WAF selbst verweist darauf, dass mit den Kunstwerken einer der Grundsteine für den Freistaat Bayern als Kunst- und Kulturstandort gelegt worden sei. “Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds steht dabei als Garant für die ungeschmälerte Erhaltung dieser Kunstschätze.”